Einstieg ins alpine Genussklettern
Weiter, wo der Wanderweg endet
In den Lienzer Dolomiten Osttirols treiben es nicht nur Kletterprofis regelrecht auf die Spitze – auch Kraxel-Novizen finden hier perfekte vertikale Spielwiesen für die ersten Griffe und Tritte im alpinen Fels.
„Die Dolomiten sind die schönste Architektur der Welt.“ Das sagte nicht irgendwer, sondern Le Corbusier (1887–1965), einer der einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Was viele nicht wissen: Nicht nur die Südtiroler und Trentiner, sondern auch die Osttiroler haben „ihre“ Dolomiten – die Lienzer Dolomiten. Dieses Zacken-Reich zieht sich auf etwa 40 Kilometer Länge vom Kartitscher Sattel bis zum Gailbergsattel. Mit ihren talnahen Sportklettergärten, mit ihren gemütlichen Hütten und mit jeder Menge leichter Grattouren in bestem Fels bieten die Lienzer Dolomiten also die besten Voraussetzungen, die steile Welt Osttirols kennenzulernen. Mitten drin und Namensgeber: Osttirols sonnenverwöhnte Hauptstadt Lienz. Die ist auch das Basislager, um Klettern am echten Fels (statt an künstlichen Griffen in der Kletterhalle) zu lernen. Und die Alpin-Kompetenz der einheimischen Bergführer wird weit über die Grenzen Osttirols hinaus gerühmt.
Hand anlegen: der natürlich-nächste Schritt nach dem Wandern und Bergsteigen
Menschliche Fortbewegung folgt immer der gleichen Reihenfolge: Krabbeln, Gehen, Wandern, Bergsteigen, Klettern. Wenn man es bis zur vorletzten Evolutionsstufe geschafft hat, will man früher oder später auch die letzte wagen: Klettern. Wer also den Next Step wagen, einen Schritt weiter gehen und seine eigenen Grenzen neu ausloten will, der muss irgendwann Hand anlegen. An den Fels. Also rein in die steile Welt, auf zum Klettern!
Klettern. Das klingt kühn, gewagt, vielleicht sogar gefährlich. Aber keine Angst! Wenn man es von der Pieke auf lernt, ist Alpinklettern auch nicht riskanter als andere Outdoorsportarten. Klettertechnik sowie Seil-, Knoten- und Sicherungskunde lernen Neulinge natürlich beim Profi. Am besten im Sommerurlaub. Am allerbesten in Osttirol.
Nochmals zur Evolution: Klettern ist der natürlich-nächste Schritt nach dem Wandern und Bergsteigen. Wer also das Klettern beherrscht, kann prinzipiell jeden großen Gipfel der Alpen bezwingen. Aber erstmal heißt es: klein anfangen! Als Faustformel gilt: im I. Schwierigkeitsgrad braucht man eine Hand, im II. alle beide. Im III. und IV. Grad sind dann kürzere senkrechte Passagen oder kleine, aber gutgriffige Überhänge zu meistern. Genau in diesen unteren Kletterschwierigkeiten finden ambitionierte Wanderer und Bergsteiger mit einem Bergführer im griffigen Kalk der Lienzer Dolomiten (und an den Gipfeln der Hohen Tauern) ein neues, vertikales Spielfeld – das alpine Genussklettern.
Osttirol: der vertikale Spielplatz für Alpinkletterer. Und alle, die es werden wollen
266 Gipfel mit der magischen Drei vor den drei Nullen: Osttirol ist Dreitausenderland! Der berühmteste von allen – der Großglockner – ist mit seinen 3798 Metern nicht nur der höchste Zinken in Osttirol, sondern in ganz Österreich. Tirols südöstliches Dachgeschoss ist aber nicht nur Dreitausenderland, sondern vor allem Kletterland. Und wer an Klettern denkt, hat automatisch die Dolomiten – „die schönste Architektur der Welt“ – im Sinn.
Hoch über markierten Wegen, gesichert mit Klettergurt, Helm und Seil, auf selbst abgesicherter Route über zackige Grate und an griffigen Wänden zum Gipfelkreuz klettern – eine verlockende Vorstellung! Wahr wird der senkrechte Traum an vielen Bergen Osttirols. Wie zum Beispiel an der Kleinen Laserzwand. Die Route mit dem originellen Namen „Bügeleisenkante“ gilt als der Klassiker in den Lienzer Dolomiten. Die Kantenkletterei hoch zum 2.568 Meter hohen Gipfel hat eine Schlüsselstelle im IV. Schwierigkeitsgrad, wird aber dann nach oben hin immer leichter. Perfekt, wenn Kraft und Kondition von Kraxel-Novizen nach oben hin dann doch etwas nachlassen. Dank supergriffigem Fels, besten Sicherungen und kurzem Zustieg von der Karlsbader Hütte ist die Bügeleisenkante der ideale Einstieg in das Alpinklettern. Denn: steil ist geil!
Photocredit: © Osttirol