Neues Backcountry-Ski-Touring Kit von Patagonia

von 2. Februar 2021Top Thema

Wir haben mit Natasha Woodworth, der Chefdesignerin von Patagonia gesprochen

Patagonia war schon immer im Backcountry unterwegs, aber dieses Kit ist das erste, das speziell für das Ski-Touring entwickelt wurde. Kannst du mir erzählen, wie die Idee für das Backcountry-Touring-Kit entstanden ist?

Im Februar 2018 habe ich eine Reise nach Europa unternommen, nach St. Anton, Garmisch und Chamonix, zusammen mit Glen, der die Produktinnovation bei Patagonia leitet. Dort wurden mir die Augen für die europäische Ski-Touring-Szene geöffnet – und ich war schwer beeindruckt. Die Bergkultur in Europa habe ich schon immer geliebt, weil ich sie aus der Perspektive des Skirennsports erlebt habe. Aber zu sehen, wie viele Leute Skitouren gehen, von Feierabend-Tourengehern, die im Dunkeln nach der Arbeit aufsteigen, bis hin zu langen mehrtägigen Hüttentouren, machte es zu einer inspirierenden Reise.

Clement, der das Produktteam in Europa leitet, war maßgeblich an der Kollektion beteiligt, da er förmlich auf uns einhämmerte, Produkte für die europäische Ski-Touring-Community zu entwickeln. Es war eigentlich ganz einfach, nachdem wir es in Europa gesehen hatten – und die Leute kennengelernt hatten, die wir bei ihren muskelkraftbetriebenen Abenteuern in den Bergen unterstützen wollten. Das ist es, worum es bei Patagonia geht, also war es einfach, von dieser
Europa-Reise zurückzukommen und ein paar nützliche Sachen für diese Leute zu entwickeln!

Welche Erfahrungen hast du bei deiner ersten Reise nach Europa gemacht? 

Es ging viel darum, zurückzukommen und mit dem Team und in der Forge, unserem Forschungs- und Entwicklungszentrum, an der Passform und Beweglichkeit zu arbeiten. Die Entwicklerin bei diesem Projekt, Morgan, ist die stille Heldin, weil sie die Passform und alles, was spezifisch für den europäischen Skitourengeher ist, perfekt umgesetzt hat. Vieles davon wurde intern entwickelt. Alle Muster und unsere erste Prototypen-Runde haben wir hier
hergestellt. Dann reisten wir nach Südamerika, um die ersten Konzeptideen zu testen. Wir konnten mit dem Wissen zurückkommen, was funktioniert, und darauf aufbauend Prototypen entwickeln: alle Arten von verschiedenen Stoffen und verschiedenen Schnitten für viele Leute zum Testen. Damit waren wir bestens gerüstet für die große europäische Testreise im Jahr 2019!

Kannst du uns einen kurzen Überblick über die Kollektion und das Angebot geben?

Wir haben zwei Kits entworfen: die Upstride, eine Softshell für schnelle Aufstiegsmissionen, und die Stormstride, ein komplett wasserdichtes Shell-Kit für schlechtes Wetter und längere Tage in den Bergen. Das Softshell-Kit besteht aus zwei hoch atmungsaktiven Strickgeweben, die für mehr Komfort miteinander verbunden sind. Das Obermaterial bietet Schutz und das Futter ist superweich mit einem geprägten Muster, das sich wirklich angenehm auf der Haut anfühlt. Diese Stoffentwicklung ist innovativ mit viel Stretch und zwei unterschiedlichen Atmungsaktivitäten. Beim Testen haben wir festgestellt, dass der superatmungsaktive Stoff, den wir für die Jacken verwenden, für die Hosen einfach zu kalt war. Aber in den Bergen ist er perfekt für den Aufstieg!

Die Entwicklung der Upstride Softshell hat wirklich Spaß gemacht, weil wir neu interpretiert haben, was eine traditionelle Softshell ausmacht – ein Großteil des Marktes konzentriert sich auf schwere, auftragende Modelle, die es seit den 80ern gibt.

Das wasserdichte Stormstride-Kit ist mit einem superangenehmen, glatten Futter ausgestattet, mit viel Stretch für ganztägigen Bewegungskomfort. Das Obermaterial des dreilagigen Modells besteht zu 100 Prozent aus Recycling-Nylon, mit zwei großen Brusttaschen zur Aufbewahrung von Skifellen und einer flachen Schneeschürze, die Schneeverwehungen abhält.

Die Hose hat ein neues Bündchendesign, das zu einer Vielzahl von Touring-Schuhen passt und sie ist mit einem Druckknopf-Verschluss ausgestattet, damit die Hosenbeine im Unterschenkelbereich für die Verwendung mit Steigeisen enger gemacht werden können. Zudem haben wir den Bund gestrafft und ein neues internes, wenig auftragendes Gurtsystem eingeführt.

Drei Jahre hat die Entwicklung gedauert (vielleicht sogar mehr) – warum hat es so lange gedauert, diese Kollektion zu entwickeln?

Das lag an den Tests – wir haben viel Zeit investiert, weil es ein neuer Markt für uns war und wir es richtig machen wollten. Mit Chamonix fing alles an! Die erste Reise dorthin ist fast drei Jahre her. Als wir zurückkamen konstruierten wir Sachen für die zweite Reise und nahmen uns dann viel Zeit, um noch mehr Prototypen für die nächste Europareise zu entwickeln. Also ja, bei diesem Prozess haben wir sehr viel getestet!

Was wolltest du mit diesem Kit erreichen?

Meine Hoffnung ist, dass die Leute beim Tragen das Gefühl haben, dass das Produkt bei jedem Schritt, den sie machen, nicht gegen sie ankämpft – die Passform haben wir speziell für den Aufstieg konzipiert. Ich bin stolz darauf, dass die Softshells wirklich anders sind und dass wir die technische Innovation mit dem, was eine traditionelle Softshell sein sollte, vorangetrieben haben.

2019 ging es also zurück nach Frankreich und Österreich, zu einer letzte großen Europa-Reise zum gründlichen Testen der Prototypen. Erzähl uns bitte von dieser Reise.

Ich war schon früher in Europa gewesen, da ich mit dem Skirennsport aufgewachsen bin. Doch damals mussten wir jeden Tag umziehen und hatten nicht viel Zeit, die Atmosphäre der einzelnen Orte aufzusaugen. Die Reise mit dem Patagonia Snow-Team habe ich sehr genossen, da wir etwas mehr Zeit zum Erkunden hatten. Wir hatten tonnenweise Prototypen
und Stoffe zu testen: Jacken mit vielen verschiedenen Taschen- oder Kapuzenkonfigurationen. Es war jeden Morgen eine Wundertüte mit all diesen Prototypen zum Ausprobieren.

Die Reise begann mit einer Riesenüberraschung, als wir nachts in dieser kleinen Bergstadt in Deutschland ankamen und alle ihre Stirnlampen anlegten und sich ihre Skier schnappten. Wir haben die Kultur sofort verstanden. In Nordamerika gibt es so etwas nicht wirklich – dieses Afterwork, das Anziehen der Skischuhe und der Aufstieg auf den Berg zu einer Hütte mit Freunden. Es war ein echter Indikator dafür, wie wir dort starteten. Und vom ersten Moment verstanden wir, wie das Touring in das Leben der Menschen integriert ist. Das war unser Start. Danach ging es in die Dolomiten in Italien, wo wir längere Tage hatten und verschiedene Arten von Touren machten, viele Familien sahen, überall, was ich ziemlich cool fand.

Unsere letzte Station war Chamonix, wo wir noch mehr Gelegenheit zum Freeriding und damit zum intensiven Testen der Stormstride hatten. Wir begannen mit der Upstride, schnelle Laps mit hoher Intensität nach der Arbeit. Dann kam die Stormstride in Chamonix an die Reihe, für längere Tage und das Schlafen in der Hütte. Wir bekamen die ganze Bandbreite in Europa zu sehen und waren ständig überwältigt von der großen Anzahl an Leuten, die Skitouren gehen.

Diese erste Nacht in Deutschland war etwas ganz Besonderes, denn es war eine ganz andere kulturelle Erfahrung, oben in der Hütte zu sein, mit einer Suppe und Brezel. Das zeigte mir, wie sehr das Ski-Touring im Alltag in Europa verwurzelt ist. Es ist kein einmaliger Ausflug oder gar eine Flugreise, extra um diesen Wintersport auszuüben. Es ist eher ein Bestandteil der Kultur, eine Art alltägliche Gesundheit und Fitness, und ein Genießen der Berge.

Jetzt wo du wieder hier im kalifornischen Ventura bist, was hat dich an der europäischen Touring-Szene am meisten fasziniert?

In den USA sind im Moment alle so viel draußen. In Europa hat mich wirklich inspiriert, wie breit gefächert das Spektrum des Ski-Touring ist und wie unterschiedlich die Tourengeher sind: von kleinen Kindern und Familien bis hin zu superaggressiven Langstrecken-Freaks. Letztendlich geht es immer um das Gleiche – Menschen in die Berge zu bringen und die Natur zu schätzen. Etwas mehr von dieser Energie und Begeisterung nach Nordamerika zu bringen, wäre eine
großartige Sache, und ich habe den Eindruck, dass das gerade passiert.

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Zahan Billimoria und Ben Hoiness klettern und fahren auf dem 6000er Illimani, über die reguläre Route. Cordillera Real, Bolivien

Erzähl uns, wo du aufgewachsen bist und wie du zur Backcountry-Expertin wurdest?

Ich bin an der Ostküste aufgewachsen. Bei unseren Touren gab es keine Lawinengefahr, da die Berge nicht besonders hoch waren und es auch nicht besonders viel Schnee gab. Die „Schneekunde“ musste ich erst lernen, als ich in den Westen zog. Das hat mich in Europa beeindruckt – wie die Schneesicherheit und das Wissen um die Wettersysteme und
Lawinenbedingungen für die Leute so selbstverständlich sind.

Meine Eltern hatten Skifelle und gingen im Wald wandern. Dabei nahmen sie mich häufig mit, sodass ich eine besondere Beziehung dazu hatte. Dann hatte ich bei der Arbeit mit Patagonia das Glück, einige großartige Mentoren zu haben, wie Glen und Linden, mein Kollege beim Alpinsport, der wirklich lange Zeit als Bergführer tätig war. Ich fahre mit ihm Ski, aber ich lerne auch von ihm, beobachte ihn, um zu sehen, was er macht.

Für mich ist Mentoring sehr wichtig und ich hatte das Glück, mit Menschen zusammen zu sein, die lehren und lernen wollen, wie zum Beispiel Zahan Billimoria (seinen neuen Film „Solving for Z“ kannst du dir hier anschauen) und andere Patagonia Ambassadors, die sich leidenschaftlich mit dem Sicherheitsaspekt des Backcountry beschäftigen. Ich hatte das Glück, viele tolle Menschen um mich zu haben, die mir gute Lehrmeister waren und mir beigebracht haben, neugierig zu bleiben und immer weiter zu lernen!

Wir sitzen im Moment alle viel mehr zu Hause fest. Was glaubst du, worauf wir uns in der kommenden Saison einstellen können?

In der Heimat zu bleiben und die eigene Region zu erkunden – sich auf die eigenen Beine und Muskeln zu verlassen, um nach oben zu kommen, ist das beste Training!

Photocredit: © Patagonia

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