Trail degli Eroi – Zwischen Natur und Geschichte
Es gibt Trails und es gibt Trails. Die Trails rund um den Monte del Grappa haben etwas ganz besonderes. So sind sie nicht nur landschaftlich unglaublich schön, sondern haben auch noch einen geschichtlichen Hintergrund. Vor einhundert Jahren fand hier eine der blutigsten Episoden des ersten Weltkriegs statt. Die Trailrunner laufen also auf historischem Boden.
Bereits zum dritten Mal fand in diesem Jahr der Trail degli Eroi statt. Drei Distanzen, 30, 46 und 82 Kilometer konnten rund um den Monte del Grappa gelaufen werden. Alle Strecken verliefen zu mehr als 80% auf Singletrails und Straßen gab es lediglich um von einem Trail zum anderen zu kommen. Trailrunning in seiner natürlichsten Form also. Die Ultradistanz über 82 Kilometer hatte dann noch ein paar zusätzliche Highlights. Nahezu endlose Trails über Bergkämme, rockige Downhills und Wiesentrails, soweit das Auge reicht.
Wir kamen bereits am Donnerstag an und durften im Hotel Antica Abbazia direkt am Start einchecken. Nagelneu präsentierte sich das alte Kloster und die Zimmer waren vom Feinsten. Edles Holz, tolle Einrichtung und WLAN machen das neue Hotel am Fuße des Monte del Grappa zu einer perfekten Herberge. Dazu kommt, dass das dazugehörige Restaurant auch über eine hervorragende regionale Küche verfügt.
Weltkrieg und Trailrunning
Das Team rund um den Trail degli Eroi und Soul Running haben es sich dann auch nicht nehmen lassen uns etwas von der Umgebung und Geschichte zu zeigen. So ging es am Freitag zuerst hoch auf den Monte del Grappa, wo wir das Monument des ersten Weltkrieges besichtigten. Schützengräben, eine riesige unterirdische Festung und ein Grabmal. Es ist auf der einen Seite sehr beeindruckend, auf der anderen Seite auch sehr bedrückend, wenn man weiß, dass hier vor knapp 100 Jahren mehr als 25.000 Menschen gestorben sind. Wir können uns glücklich schätzen, in einem so friedvollem Europa zu leben.
Nach der Besichtigung hatten wir noch kurz Zeit über die Trails am Gipfelkamm zu rocken, ehe wir eine kleine Stärkung im Refugio bekamen. Die Erkundung führte uns am Nachmittag dann hinunter nach Bassano di Grappa. Ein kurzes Mittagessen und dann ging es direkt in die historische Altstadt, wo wir noch einmal ein Kriegsmuseum besichtigten. Abgerundet wurde der Tag mit einem kurzen Spaziergang durch die Stadt und einem Besuch bei Nardini, einer sehr bekannten Grappa-Brennerei. Eines sollte aber noch angemerkt werden: der Berg Grappa hat nichts mit dem berühmten Aquavit zu tun.
Nachdem der Tag dann doch etwas zu ruhig war, machten sich Jens, Ole und Carsten am späten Nachmittag noch zu einer kleinen Laufrunde auf. Wir wollten den ersten Anstieg des Trails kurz besichtigen und so wurden es am Ende zwölf Kilometer und 600 Höhenmeter, die wir in einer guten Stunde abspulten. Auch so schafft man wieder Platz für das anstehende Dinner mit dem Bürgermeister. Jens hatte es die ganze Zeit schon gepackt und so überzeugte er mich, von der kürzeren Strecke auf die 82 Kilometer umzumelden. Ob das an den Getränken oder an der zu erwartenden Aussicht lag, bleibt wohl ein Geheimnis.
Kleine Brauereien und Weingüter
Der Samstag stand dann ganz im Zeichen der Erholung, denn entgegen des kürzeren Rennens startet der Ultra bereits um drei Uhr morgens. So besichtigten wir heute einen Bio-Winzer und eine Craft-Bier-Brauerei. Bei beidem durfte natürlich nicht das Probieren fehlen. Lecker Wein und Bier, wobei ich mir bei manchem Bier nicht wirklich mehr sicher war, ob es sich hier noch um Bier handelt oder schon um Spirituosen. Lecker wars allemal.
Kaum zurück, war es dann auch an der Zeit die Startnummer abzuholen. Sehr familiär ging es bei der Ausgabe zu und wir schauten dann aber auch gleich zurück ins Hotel zu kommen um für nicht einmal eine Stunde die Beine hochzulegen, ehe es mit Pasta-Party und Pressekonferenz weiter ging.
Die Pressekonferenz war diesmal etwas anders als erwartet. denn nicht die Presse stellte Fragen, vielmehr waren wir als Pressevertreter selbst mit auf der Bühne und durften unsere Eindrücke und Ausblicke kurz beschreiben. Auch mal ganz schön alles von der anderen Seite zu sehen. Kurz danach ging aber direkt wieder zurück, damit wir für den kommenden Tag einigermaßen fit sind.
Kurz nach zwei klingelte der Wecker und da wir schon alles gepackt hatten konnten wir auch schnell hinunter zum Frühstück. Eine kleine Stärkung mit Kuchen und Brot, dazu ein Kaffee und schon war es Zeit an den Start zu gehen. Perfekt, wenn Hotel, Restaurant und Start alles das gleiche sind und die Wege weniger als 50 Meter betragen.
Andächtig und steil
Kurz vor dem Start wurde noch das Lied der Stille auf der Trompete von einem Alpino, den Gebirgsjägern der Italienischen Armee, gespielt. Schnell wurde einem wieder klar, dass dieser Lauf etwas ganz besonderes ist. Doch dann ging es los. Pünktlich um drei Uhr ertönte der Startschuss und unter frenetischem Jubel machten sich 130 Läufer auf durch die Nacht. Die ersten beiden Kilometer verliefen flach durch den Ort und führten uns hinaus Richtung Aufstieg zum Monte del Grappa. Es begann ein zwölf Kilometer langer Single-Trail. Teilweise extrem steil und schmal. Zeitweise ging es senkrecht neben einem nach unten. Zum Glück war es dunkel und man konnte nicht wirklich sehen, wie tief es da runter ging.
Zwischendurch war der Aufstieg durch kurze Straßenüberquerungen und Downhills unterbrochen, doch es galt auf diesen zwölf Kilometern immerhin 1.600 Höhenmeter zu überwinden. Wir waren länger unterwegs als gedacht und zwischenzeitlich wurde es so kühl, dass eine wärmende Jacke von Nöten war. Nach knapp 2,5 Stunden erreichten wir dann endlich den Gipfel. Als es über das Monument ging lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Italienische Läufer berührten mit ihrer Hand die erste Stufe um sich dann zu bekreuzigen. Es ist gut zu wissen, dass einstige Gegner nun in Freundschaft gemeinsam auf Trails hier unterwegs sind.
Dem Morgengrauen entgegen
An der ersten Station kommen wir mit gut einer Stunde vor den Cutoff an, nun folgt ein technischer Downhill. Nicht lange, dafür umso intensiver. Als so langsam die Dämmerung einsetzt geht es über einen traumhaften Trail (sorry, das werde ich wohl noch öfter hier schreiben) wieder nach oben. In die Felsen wurden von Hand Tunnel geschlagen, die den Weg bis zu einer kleinen Kapelle am Gipfel prägen. Blutrot kämpft sich die Sonne hinter den Gipfel der entfernten Alpen hervor und wir laufen unaufhaltsam dem Morgen entgegen. Es kommt ein längerer Abschnitt über Forstwege, die es aber erlauben etwas schneller zu laufen, ehe wieder die Single-Trails kommen.
Wieder schlängelt sich ein schmaler Pfad nach oben und als wir am Gipfel ankommen trauen wir unseren Augen kaum. Vor uns liegen fünf Kilometer Trail direkt am Kamm entlang. Unterbrochen von drei Gipfeln. Trailrunnerherz, was willst du mehr. Rechts von uns erstrecken sich die Dolomiten, links ist der Monte del Grappa in der Ferne zu sehen. Viel zu schnell ist der Abschnitt vorbei und es geht wieder talwärts Richtung der nächsten Verpflegung. Wobei mit Verpflegung ist bei diesem Rennen nicht viel. Lediglich Wasser gibt es an den Stationen. Alles andere müssen die Läufer selbst dabei haben.
42 Kilometer sind geschafft. Nach einem Marathon liegt nun nochmal fast die selbe Strecke vor uns, jedoch mit weniger Höhenmeter im Aufstieg, dafür gehts zum Schluss nochmal gut 1.000 Meter nach unten. Ich finde meinen Rhythmus, den ich ab Kilometer 35 verloren hatte, wieder es geht besser und obwohl zwischendurch auch Nebel aufkommt rollt es wieder ganz gut.
Nach der vorletzten Verpflegung kommt ein eher als Mittelgebirgstrail zu bezeichnender Weg. Locker kann hier gelaufen werden, wenn man nicht schon 60 Kilometer in den Beinen hätte. An vielen Stellen ist man sehr einsam unterwegs. Das kleine Starterfeld hat sich über die Distanz gut verteilt. Es geht noch einmal einen Anstieg nach oben und ich zweifle, ob ich wirklich noch viel weiter zu laufen habe, als angenommen. Schnell auf der Karte vergewissern, aber egal, aussteigen gibt es nicht. Der Anstieg ist steil und anstrengend, aber dafür erwartet mich wieder ein netter Downhill. Als ich über eine kleine Brücke laufe ist unter mir die nächste Verpflegung. Ich bin etwas irritiert. Es ist tatsächlich die letzte Verpflegung. Noch acht Kilometer bis ins Ziel.
Noch fünf Kilometer bis zum Bier
Ich nehme meine Beine in die Hand und fliege den Downhill bis zum letzten Anstieg hinunter. In der Euphorie vergesse ich, mein Gel zu nehmen. Wird schon reichen für die letzten Meter. Doch der Aufstieg durch Schützengräben verlangt noch einmal alles ab. Danach fällt es mir schwer, den letzten Abstieg leichtfüssig zu meistern. Der steinige Trail ist eng und von Tannennadeln übersät, sodass man Unebenheiten schwer erkennt. Ich laufe langsamer als gedacht. Doch drei Kilometer vor dem Ende kommt nochmal eine sehr technische Passage. Ein Abstieg, der sogar mit Seilen gesichert ist. Hier springe ich wieder recht locker hinunter und aktiviere dann auf den letzten Kilometern meine letzten Reserven.
Im Ziel werde ich schon erwartet und ich bin froh, dass ich mein zwischenzeitliches Tief überwunden und das Rennen durchgezogen habe. Es war ein unglaublicher Lauf in einer wunderschönen Landschaft. Zum ersten Mal kam auch noch ein geschichtlicher Aspekt hinzu. Auf einem Trail zu laufen, wo sich vor hundert Jahren Italiener, Deutsche und Ungarn bekriegten. Wo es mehr Opfer gab als sonst irgendwo in den Alpen. Wo die Menschen so nah mit der Geschichte verbunden sind und wo ich so viele neue Freunde gefunden habe.
Trailrunning in Italien ist etwas ganz besonderes und ich sauge auch immer wieder diese Stimmung und Euphorie auf. Hier am Monte del Grappa hat man gemerkt, dass die Familie Trailrunning nicht nur die Natur, sondern auch die Geschichte respektiert.
Vielen Dank an SoulRunning und die Organisatoren des Trail degli Eroi für die fantastische Veranstaltung. An Hoka One One, Adidas Eyewear, Lupine, Komperdell, Ternua und Easyway Sports für die Unterstützung.