DNF – oder warum sich das Trailrunning ändert
Trailrunning ist gerade an einem Scheidepunkt – Berichte im TV, öffentlich steigende Aufmerksamkeit, beginnende Kommerzialisierung. Doch liegen darin auch die steigenden DNF (Did Not Finish) Quoten?
Ein Kommentar von Carsten Reichel
Hintergrund meines Artikel ist ein Kommentar Janina auf Facebook, die sich fragt, warum denn die DNF-Quote beim diesjährigen Zugspitz Ultratrail so hoch war (64% – Berichtigung: es waren 43% (670 Starter – 385 Finisher lt. Datasport)). Inzwischen findet hier eine rege Diskussion statt.
Als ich zum Trailrunning kam war das für mich einfach mit Gleichgesinnten auf meinen geliebten Pfaden zu laufen. Endlich war ich nicht der Einzige, der aufgerissene Waden, dreckverschmierte Beine und aufgeschlagene Knie hatte. Endlich wurde ich nicht von anderen Läufern mitleidig belächelt, weil ich schon wieder mit eingedreckten Klamotten unterwegs war. Meine Schuhe waren die Gleichen, die ich auch auf der Straße trug und um technischen Schnick-Schnack machte ich mir noch keine Gedanken.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Das technische Hochrüsten nimmt Züge an, die mit dem normalen Laufen nichts mehr zu tun haben. Hersteller drängen auf den Markt mit gigantischem Marketing-Budgets um auch einen Teil des Trailkuchens abzubekommen. Dabei geht es weniger um wirklich gutes Material, denn um schöne Bilder in der Natur. Oft sind die Schuhe lediglich ein Abklatsch der Straßenversion mit einer nicht brauchbaren Profilsohle.
Technisches Hochrüsten
Meine Eltern haben mich immer darauf hingewiesen, mit guter Kleidung in den Berg zu gehen, das Wetter zu beobachten und nötigenfalls auf die Tour zu verzichten. Heute laufen wir mit Minimalausrüstung über die Alpen, im Vertrauen, dass alles gut geht. Klar, das Material hat sich verändert. Keiner geht heute mehr mit Filzhosen und Janker auf eine Tour. Goretex und Outdry schützen den Bergsportler.
Doch zurück zu den Wettkämpfen. Während bei den eigenen Touren jeder für sich selbst verantwortlich ist, und hier auch eine gewisse Sensibilität für die Natur besteht geht es bei Wettkämpfen anders zu.
Immer höher, immer weiter, immer spektakulärer
Vor ein paar Jahren gab es ein paar herausfordernde Events im Trailbereich. Der UTMB, der Western State 100, nur um die zwei Bekanntesten zu nennen. Es war für jeden eine Ehre einmal bei diesen Läufen zu starten. Wenn ich heute auf die Terminpläne schaue, so kann ich jedes Wochenende eine 100 Kilometer oder 100 Meilen Lauf im bergigen Gelände absolvieren. Viele Läufe die einst als 20 Kilometer Strecke gelaufen werden konnten, sind jetzt auf mördermäßige 100 Kilometer ausgebaut worden. Jeder will ein Stück von Ultratrail-Kuchen abbekommen. Und jeder Läufer will einmal von sich behaupten, diese magische Distanz gelaufen zu haben.
Und genau hier beginnt das Problem. Es rücken Läufer nach, die mit den Gegebenheiten keine oder nur sehr wenig Erfahrung haben. Was früher der Marathon war ist heute der Ultratrail in den Bergen. Die Veranstalter tun dann auch alles dafür, dass dieser Mythos für alle erreichbar scheint. Hochglanzbilder, gigantische Natur und ein rundum Wohlfühlpaket wird für die Starter angepriesen. Oft ist das Wohlfühlpaket aber schnell geleert, denn das Wetter ist eine Komponente, die nicht einzuschätzen ist. Das ist für viele Läufer neu, denn oft kommen sie vom Flachland und haben keine Ahnung von den Bergen. Ich sah Läufer die bei einem wein technischen, aber steilen Downhill heulend auf der Strecke standen, weil es ihnen zu steil war. Ich sah Läufer die an Seilen hingen und nicht weiterlaufen konnten, Läufer die nicht nur ihre Sicherheit, sondern auch die Sicherheit der Streckenposten aufs Spiel setzten. Da frage ich mich schon, was wollen die hier? Ich riskiere doch nicht mein Leben für ein T-Shirt!
Back to the Roots
Es wird Zeit, dass sich einiges im Trailrunning ändert. Wir bewegen uns gerade auf den Weg der Triathleten. Es wird Zeit, dass dem ungezügeltem Zustrom der Trailrunner einhält geboten wird. Ansonsten sind Unglücke vorprogrammiert. Doch verantwortlich sind beide, Läufer und Veranstalter. Die Veranstalter sollten sich wieder darauf besinnen tolle laufbare Strecken auszuschreiben und nicht ein Monster nach dem anderen zu schaffen und mit Hochglanzbildern zu werben, dass das für jeden ein Erlebnis ist. Erst im letzten Jahr wurde mit den Großglockner Ultra ein neuer Hammerlauf geschaffen, der am Ende aufgrund seiner „Brutalität“ abgebrochen werden musste. Zu technisch, zu ausgesetzt, zu gefährlich.
Habt endlich wieder Spaß!!
Die Läufer sollten mit kleine Distanzen sich an die großen Strecken herantasten. Ein Marathonläufer hat auch nicht seinen ersten Wettkampf auf der Marathondistanz begonnen, sonder auf kürzeren Strecken. Genauso sollte man beim Trail verfahren. Mit kurzen Distanzen beginnen und dann langsam auf die langen Kanten wechseln, wenn manLust darauf hat, denn oft sind kurzen Distanzen nicht minder interessant.
Zudem sind Bergsportler auch alle Kammeraden. Denn es ist wichtig nicht als Einzelkämpfer in den Bergen unterwegs zu sein. Ellbogen könnt ihr sonstwo auspacken, aber nicht auf dem Trail. Hier gilt der Codex, dass jeder jedem zu helfen hat!
Durch diese Maßnahmen lassen sich die DNF-Quoten gut senken. Klar, schlechtes Wetter ist auch ein Faktor für den DNF, aber dieser wird dadurch besser kalkulierbar. Wenn ich sehe, wie extrem hoch die Quote beim ZUT in diesem Jahr war, weil einige Teile der Strecke einfach nicht mehr laufbar waren, habe ich so meine Sorge, wie es im August mein neuen AlpX100 werden wird. Es geht hier nicht um die Tipläufer, die neben einer vermutlich noch guten Strecke auch eine professionelle Betreuung dabei haben, sonder um die breite Masse, die das Event finanzieren.
Hört endlich auf, den Läufern Flausen in den Kopf zu setzen, dass ein guter Trailrunner nur der ist, der die längsten Distanzen läuft. Liebe Läufer denk an Euch und denkt dran, dass ihr nicht jeden Ruf der Veranstalter erliegt, die ganz langen Distanzen zu laufen. Wer einen Trail mit 38 Kilometern in den Bergen läuft verdient genauso den Respekt, wie der Läufer über 100 Kilometer, auch wenn man die Distanz despektierlich „Basetrail“ nennt.
Ach ja, eins hab ich noch: Ein DNF ist kein Beinbruch, sondern in den Bergen oft eine sehr vernünftige Entscheidung.